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Friedrich Hossbach

 

 


Infanterie im Ostfeldzug,
1941/42

(Buchkapitel)

© Friedrich Hossbach, 1951

 

Наш адрес: ruzhany@narod.ru

Inhaltsverzeichnis

 

Über den Autor

 

Friedrich Hoßbach (1894–1980),

Friedrich Hoßbach kam als Sohn von Professor Heinrich Hoßbach und seiner Ehefrau Anna, geborener Pauls, zur Welt. Mit neun Jahren trat er in die Kadettenanstalt Oranienstein ein, kam dann nach Groß-Lichterfelde bei Berlin und schließlich zur Prinzenschule Klein Glienicke und war dort Mitschüler des Prinzen Leopold von Preußen. Am Ersten Weltkrieg nahm er zuletzt als Oberleutnant teil und gelangte nach einer Dienstzeit in einem Freikorps 1921 zum Infanterieregiment 17 der Reichswehr. Danach erhielt er 1927 als Hauptmann eine „Führergehilfenausbildung“ (Tarnbegriff zur Umgehung der im Versailler Vertrag verbotenen Generalstabsausbildung).

Nach verschiedenen anderen Kommandierungen war Hoßbach zwischen 1934 und 1938, zunächst als Oberstleutnant, dann als Oberst i. G., Wehrmachtsadjutant bei Hitler. In dieser Funktion verfaßte er am 10. November 1937 nachträglich die Niederschrift zu einer Besprechung vom 5. November 1937, an der unter Vorsitz von Reichskanzler Hitler der Reichskriegsminister von Blomberg,die Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch, der Kriegsmarine, Dr. h. c. Erich Raeder, und der Luftwaffe, Hermann Göring, sowie der Reichsaußenminister von Neurath teilnahmen. Diese Nachschrift ist später irrtümlicherweise als „Hoßbachprotokoll“ in die Geschichte eingegangen. Zunächst einmal ging es bei dieser Sitzung um Meinungsverschiedenheiten betreffs der Zuweisung von Rohstoffen für die Rüstung der einzelnen Wehrmachtsteile, wobei Göring als „Beauftragter des Vierjahresplanes“ eine Schlüsselstellung einnahm. Hitler nahm die Sitzung zum Anlaß – und damit gewann sie eine herausragende Bedeutung -, seine außenpolitischen Ansichten anhand von Notizen ruhig und leidenschaftslos zu entwickeln. Dabei erwähnte er, daß er in absehbarer Zeit, spätestens 1943-45, die Raumfrage im Zuge einer Risikopolitik mit Gewalt lösen wolle. Bereits 1938 könne ein Vorgehen gegen Österreich und die Tschechoslowakei in Frage kommen. Es ergab sich eine heftige Diskussion zwischen Fritsch und Blomberg einerseits und Göring andererseits, an der sich Hitler vorwiegend als aufmerksamer Zuhörer beteiligte. Hitler hat die Niederschrift nie abgezeichnet. Ein Offizier schrieb das Original im Winter 1943/44 in Liegnitz, wo es sich unter ausgelagerten Wehrmachtsakten fand, ab und gab es Verwandten zu treuen Händen, die es dann aber einer der Besatzungsmächte aushändigten. So gelangte die Niederschrift in das Anklagematerial des Internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg.

Den Ostdeutschen ist Hoßbach, ein strategisch hervorragend begabter General, aus einem ganz anderen Grunde bekannt. Hitler persönlich beauftragte ihn am 19. Juli 1944 mit der Führung der 4. Armee in Ostpreußen. Mit ihr konnte er den ersten Einbruch der Sowjets in die Provinz im Oktober weitgehend bereinigen und Goldap zurückerobern.

Zu Beginn der russischen Großoffensive im Januar 1945 lag die 4. Armee mit 461699 Mann zwischen Bug und Gumbinnen. Durch Rücknahme der Front ging das Vorbereitungsfeuer der teilweise zehnfach überlegenen Roten Armee am 12. Januar weitgehend ins Leere. Durch aufgespeicherte Munition konnte Hoßbach die gegnerischen Angriffsspitzen zerzausen, die eigene Truppe weitgehend intakt halten und mit Genehmigung des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe, seines ehemaligen Kriegschullehrers Generaloberst Reinhardt, den Entschluß fassen, etwa drei Divisionen aus der Front zu lösen, nach Westen durchzubrechen und den vor undin Preußisch Holland, Elbing und Marienburg liegenden sowjetischen Stoßkeilen in die Flanke zu fallen und damit Millionen ostpreußischer Flüchtlinge den Weg zum Meer und nach Westen freizuhalten. Der Plan war löblich, der Erfolg beachtlich, aber nur etwa drei Bataillone, davon zwei der 28. Schlesischen Jägerdivision, schafften den Durchbruch. Dennoch, einigen 1000 Ost- und Westpreußen wurde das Joch der roten Soldateska für eine Weile genommen. Hitler setzte seinen ehemaligen Adjutanten am 28. Januar 1945 ab. Hoßbachs letztes militärisches Verdienst ist die Umleitung zurückflutender deutscher Truppen um Göttingen, um es so vor einer Beschießung zu bewahren. Vielen Ostdeutschen wird er unvergessen bleiben.

Quellen:

  • Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg i.Br., Akten zur 4. Armee, Januar 1945.
  • Sigrid Hasche-Klünder, geb. Hoßbach, Militärischer Werdegang, Brief 20.12.1992.

Werke:

  • Friedrich Hoßbach: Von der militärischen Verantwortlichkeit, Göttingen 1948.
  • Friedrich Hoßbach: Infanterie im Ostfeldzug 1941/42, Osterode/Harz 1951.
  • Friedrich Hoßbach: Zwischen Wehrmacht und Hitler 1934-1938, 2. Aufl. Göttingen 1965.
  • Friedrich Hoßbach: Die Entwicklung des Oberbefehls über das Heer in Brandenburg, Preußen und im Deutschen Reich von 1655-1945, Würzburg 1957.
  • Friedrich Hoßbach: Schlacht um Ostpreußen, Überlingen/Bodensee 1951.
  • Friedrich Hoßbach: Einflüsse Immanuel Kants auf das Denken Preußisch-Deutscher Offiziere. In: Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Preußen Bd. I, 1954.

Lit.:

  • Hermann Gackenholz: Reichskanzlei, 5. November 1937. In: Forschungen zu Staat und Verfassung, Festschrift für F. Härtung 1958.
  • Kurt Dieckert und Horst Großmann: der Kampf um Ostpreußen, 3. verbesserte Auflage München 1965.
  • Horst Gerlach: Ein gescheiterter Ausbruchsversuch. Der Kampf der 4. Armee um Ostpreußen 1945. In: Die Rheinpfalz, Ludwigshafen, 30. Januar 1985.
  • Bradley F. Smith: Die Überlieferung der Hoßbach-Niederschrift im Lichte neuer Quellen. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 38 (1990), S. 329-336 (mit weiterer Literatur).

 

Friedrich Hossbach
Infanterie im Ostfeldzug, 1941/42

Michalin Stare

Als Vorhut der 31. I. D. war das verstärkte I. R. 82 am 25. Juni gegen 12.00 Uhr in und um Siedlec zu einer längeren Rast übergegangen und wartete auf weitere Befehle der Division. Die Div. A. A. 31 sicherte die Jasiolda – Brücke am Nordrand des Ortes. Von dieser Brücke führte ein etwa 6 Kilometer langer Dammweg durch ein Sumpfgebiet in nördlicher Richtung nach Michalin Stare. Seitlich des Dammes war das Gelände für Fahrzeuge völlig unbenutzbar und für den einzelnen Fußgänger nur mit Vorsicht betretbar.

Am frühen Nachmittag ging dem I. R. 82 der Befehl der 31. I. D. zu, das vom Feinde besetzte Michalin Stare noch am gleichen Tage zu nehmen und den Engpaß für den Weitermarsch der Division zu öffnen. Da das sumpfige Gelände eine Entwicklung von Truppen ausschloß, kam ein Angriff nur unmittelbar längs des Dammes in Frage. Das Unternehmen, mit dessen Ausführung II./82 beauftragt wurde, war um so schwieriger, als die schweren Waffen des Regimentes nur weit rückwärts der vorgehenden Infanterie geeignete Räume zum In Stellung – Gehen fanden und die Verbindungen zwischen ihren vorgeschobenen Beobachtern und den Feuerstellungen sehr lang wurden. Die zugeteilte III./A. R. 31 vermochte ihre Feuerbereitschaft an diesem Tage nicht mehr herzustellen. II./82 schob sich mit der 7. und 6. Kompanie in den Gräben des Dammes bis auf etwa 400 Meter an Michalin Stare heran. Das Bataillon sollte um 20.00 Uhr, begleitet von zwei auf dem Damm fahrenden Sturmgeschützen und unter dem Schutz eines Feuerschlages von sechs Paks, die der Infanterie dichtauf gefolgt waren, zum Sturm antreten. Bereits während des Vorarbeitens war die 7. Kompanie in heftiges feindliches Gewehr– und M. G. – Feuer aus dem unübersichtlichen Wald– und Kusselgelände bei Michalin Stare geraten. Außerordentlich unangenehm war das Feuer russischer Baumschützen.

Der abendliche Angriff gelang nur teilweise. Die 6. Kompanie vermochte die ersten Häuser des Dorfes zu nehmen, während die 7. Kompanie in ein sehr schwieriges Waldgefecht verwickelt blieb. Die Dunkelheit machte der Vorwärtsbewegung jedoch bald ein Ende. Die Fortsetzung des Angriffs wurde für den nächsten Morgen unter Beteiligung stärkerer Artillerie vorgesehen. Schon in der Nacht ließ das Feuer des Gegners indessen nach, und bei Helligkeit war er unter Zurücklassung von zwei Geschützen und anderen Waffen verschwunden. Er hatte ein Nachhutgefecht an einer für diesen Zweck beispielhaft geeigneten Stelle geliefert und mit geringen Kräften eine starke Ueberlegenheit zum Kampf und dadurch zu Zeitverlust gezwungen. Der Angreifer konnte wegen des Sumpfgeländes seine volle Kraft nicht zur Geltung bringen und die Enge auch nicht durch taktische Umgehung von den Flanken her öffnen.

 
 
     
  ***  

II./82 hatte sich seinem schwierigen Auftrag mit Umsicht und Tapferkeit unterzogen. Die blutigen Verluste (28 Tote, 50 Verwundete) waren leider beträchtlich. Auf einer Höhe dicht bei Michalin Stare wurde der erste Ehrenfriedhof des I. R. 82 auf russischem Boden angelegt; hier wurden die Gefallenen des Regiments am 26. Juni feierlich zur Ruhe gebettet.

Das Regiment hatte in den frühen Morgenstunden des 26. Juni mit allen Teilen die Jasiolda nach Norden überschritten und beiderseits der nach Rozana führenden Straße einen ausgedehnten Brückenkopf gebildet. Unter seinem Schutz vollzogen Div. A. A. 31 und I. R. 17 den Uebergang über die Jasiolda nördlich Sielec und blieben im Marsch über Michalin Stare auf Rozana, während das verstärkte I. R. 82 den Vormarsch nach Nordosten wieder aufnahm und – nach Ueberschreiten der Straße Bereza Kartuska – Rozana – um Juraszki Ortsbiwak bezog.

An der Zelwianka

Am 27. Juni wurde der Vormarsch über Busiaz, Urzecze, Sterki gegen die Szczara zunächst fortgesetzt. Eigene Spähtrupps hatten Zusammenstöße mit versprengten russischen Gruppen. I. R. 82 mit III./A. R. 31 und 1./Pi. 31 ging nach einem Marsch von 30 Kilometern, ohne auf feindlichen Widerstand gestoßen zu sein, um die Mittagszeit zu einer längeren Rast an der Vormarschstraße über. Die Vorhut (I./82, 7./A. R. 31 und 1./Pi. 31) ruhte um Borowiki. Hier traf gegen 14.30 Uhr beim Kdr. I. R. 82 ein Funkspruch der 31. I. D. ein. Dieser besagte, daß Rozana (Versorgungsstützpunkt der Panzergruppe Guderian) vom Feinde bedroht sei, I. R. 82 sofort zum Angriff nach Westen anzutreten und der Regts. – Kdr. sich zum Stabe der 31. I.D. in Grodeck (8 Kilometer ostwärts Rozana) vorauszubegeben habe. Der Funkspruch enthielt keine Angaben über den Feind und auch nicht über die Ziele, die I. R. 82 erreichen sollte. Die Dringlichkeit der Forderung, sofort nach Westen anzugreifen, mußte bei I. R. 82 den Eindruck erwecken, daß die Lage bei Rozana bedrohlich geworden war.

Aus der bisherigen Vormarschrichtung (nach Nordosten) entfaltete sich das Regiment nunmehr zum Angriff nach Westen, um mit I. und III./82 zunächst die Gegend von Sosnowka zu erreichen. II./82, das sich am Ende der Marschkolonne befunden hatte, war unmittelbar durch den Kommandeur der 31. I.D. über Urzecze nach Kowale (8 Kilometer ostwärts Rozana) befohlen worden. Am Vormittag waren die Wege trocken gewesen, ein Gewitterregen hatte sie am frühen Nachmittag in Schlamm verwandelt. Infolgedessen wurden alle Marschbewegungen erschwert. Zudem gab es Marschverzögerungen, vor allem in den Dörfern ostwärts Grodeck, verursacht durch Nachschubkolonnen der Panzergruppe Guderian, die sich auf den aufgeweichten Wegen festgefahren hatten.

Als der Kdr. I. R. 82 am späten Nachmittag beim Stabe der 31. I. D. ankam, traf er den Divisionskommandeur, General-major Kalmukoff, in gedrückter Stimmung. Dieser sah die Lage bei Rozana als ernst an. Der Russe machte nicht nur Anstrengungen, auf dem Westufer der Zelwianka in Richtung Rozana durchzubrechen, sondern war auch bereits mit Kräften auf dem Ostufer aufgetreten und hatte die Rollbahn Rozana – Slonim wiederholt unterbrochen. General Kalmukoff war daher an einem baldigen Eintreffen des I. R. 82 gelegen. Bei den großen Entfernungen und dem schlechten Zustand der Wege konnte aber kaum vor Mitternacht mit dem Regiment gerechnet werden. Nur II./82, das inzwischen Kowale erreicht hatte, stand sofort zur Verfügung. Dieses Bataillon wurde noch am späten Abend nach Pawlowo (1 Kilometer südostwärts Rozana) befohlen und hatte von dort die Sicherung der Straße Rozana – Kowale zu übernehmen. Die Masse des Regiments ging nach einer Tagesmarschleistung von 45 Kilometern, davon etwa 10 Kilometer querbeet, im Raume Grodeck – Jarutycze später zur Ruhe über.

Seit dem Nachtgefecht bei Michalin Stare (25./26. Juni) hatte I. R. 82 einen Marsch von 70 Kilometern im Bogen um Rozana zurückgelegt. Der direkte Weg von Michalin Stare nach Rozana betrug dagegen nur 20 Kilometer! Bei anderer Planung der oberen Führung hätte I. R. 82 in ausgeruhtem Zustand und 24 Stunden früher an der Zelwianka in Erscheinung treten können.

Am 28. Juni wurde I. R. 82 in die Front der Einschließungs-truppen, die in der Linie Zadworze (9 Kilometer nördlich Slonim) – Holynka – Zelwa – Zelwianka-Fluß standen, nördlich Rozana eingegliedert. Die Aufgabe dieser Einschließungsfront, zu der Verbände der 4. Armee und der Panzergruppe Guderian gehörten, bestand darin, ein Entkommen russischer Kräfte aus der Schlacht von Bialystok zu verhindern. Um den Zelwianka – Abschnitt beiderseits Krokotka, den I. R. 82 verteidigen sollte, zu erreichen, war zunächst erforderlich, das Ostufer des Flusses von den bereits übergegangenen Teilen des Feindes zu säubern.

 
 
     
  ***  

Zu diesem Zweck ging I. R. 82 am 28. Juni gegen 10.00 Uhr aus dem Raum Grodeck Pawlowo zum Angriff gegliedert und unter dem Schutz der III./A. R. 31 über Blizna auf Krokotka vor. Bei diesem Vorgehen stießen die drei Bataillone wiederholt auf einzelne Feindgruppen, die schnell überwältigt werden konnten. Eigene Verluste blieben jedoch nicht aus. Allein die 9./A. R. 31 verlor zwei Offiziere und acht Mann ihres Beobachtungspersonals, welche in einem hohen Kornfeld von russischen Schützen überfallen worden waren.

Bei Einbruch der Dunkelheit war das Ostufer der Zelwianka von Rudawka bis Chomicze fest in unserer Hand, die Stellung besetzt und ihr feldmäßiger Ausbau begonnen. Auch die Ablösung der in diesem Abschnitt bisher sichernden Teile des M. G. Batl. 5 der Panzergruppe Guderian war durchgeführt. Im Süden war der Anschluß an das I. R. 17 der 31. I. D. hergestellt, während das Eintreffen des nördlichen Nachbarn (34. I. D.) stündlich erwartet wurde. Infolge seines Ausbleibens bestand eine Lücke in der Sicherungsfront bei und nördlich Koszele. Durch sie entwich der Russe am 29. Juni mit starken Kräften, von denen sich Teile gegen Flügel und Flanke des I. R. 82 wandten.

Das Gelände des Regimentsabschnittes war für Verteidigungszwecke sehr unterschiedlich geeignet. Die nördliche Hälfte bei Krokotka war ein offenes Höhengelände, das ein ausgezeichnetes Blick- und Schußfeld nach Westen bot. Die Höhe 193,1 hart westlich Krokotka entschied über Besitz oder Verlust der Stellung. Die südliche Hälfte des Abschnittes war stark bewaldet. Die Waldränder reichten bis auf einige hundert Meter an die Zelwianka heran, so daß die H. K. L. verhältnismäßig dicht am Ostufer des Flusses geführt werden mußte. Die Zelwianka war ein schmaler Fluß, der vielfach für Fußgänger und Reiter, an vereinzelten Stellen auch für Panzer passierbar war.

Die Breite des Regimentsabschnittes (nach der Karte 10 Kilometer, im Gelände erfahrungsgemäß weit mehr) stand in keinem Verhältnis zur eigenen Stärke. Eine durchlaufende Besetzung der Stellung war aus Kräftemangel nicht möglich. Es konnte sich nur um eine gruppenweise Verteidigung unter bewußter Inkaufnahme von breiten Lücken in der Front handeln. Da I. R. 82 zunächst nur eine Artillerie – Abteilung und eine 8,8 Zentimeter Flak – Batterie zur Verfügung standen, war es auch unmöglich, die Front des Abschnittes überall mit Feuer zu decken.

III. und II./82 hatten die Stellung mit der Front nach Westen besetzt. I./82 zunächst in Sielawicze als Reserve hinter dem offenen Nordflügel wurde am späten Nachmittag des 29. Juni auf den Höhen nördlich Krokotka zum Flügelund Flankenschutz eingesetzt, nachdem der nördliche Nachbar bei Koszele noch immer nicht eingetroffen war.

Die ersten Angriffe richteten sich gegen II./82. Sie hatten am Abend des 28. Juni begonnen und hielten fast den ganzen 29. Juni an. Vorläufig handelte es sich um zusammenhanglos geführte Teilangriffe bis zu Bataillonsstärke, die sämtlich durch II./82 abgewiesen wurden. Bewegungen von feindlicher Infanterie, berittenen Truppen und auch einer Anzahl von Panzern auf dem Westufer der Zelwianka zwischen Koszele und Piotrowicze – durch die eigene Artillerie erkannt und unter Feuer genommen – sowie russische Marschkolonnen, die von Westen her Koszele zustrebten, ließen in Kürze starke Angriffe gegen I. R.82 erwarten. Das Regiment und alle ihm unterstellten Teile hielten daher ihre Stellungen mit Einbruch der Dunkelheit in erhöhter Gefechtsbereitschaft besetzt.

Die Nacht vom 29./30. Juni ging später unter dem Titel „Schicksalsnacht eines Regimentes“ durch Presse und Rundfunk. 1) Sie war in der Tat eine ereignisreiche Nacht. Gegen 21.00 Uhr begann der Kampf in großer Heftigkeit zunächst bei III./82, später auch bei II./82. 2) In beiden Bataillonsabschnitten gab es kaum eine Stelle, die nicht wiederholt von einem zahlenmäßig überlegenen Feind angegriffen wurde. Wo Lücken in unserer dünnen Aufstellung waren, drang der Russe durch und versuchte unsere Stellungen vom Rücken oder von der Flanke her aus den Angeln zu heben. Die Beteiligung russischer Artillerie war schwach, dagegen unterstützte der Feind seine Infanterieangriffe durch Panzer und aufgesessene Kavallerie. Attacken in der Dunkelheit dürften zu den Seltenheiten in der Kriegsgeschichte gehören. In dieser Nacht ritt der Russe in Stärke von etwa einem Kavallerie – Regiment gegen Front und Flügel des I. R. 82 an. Die nächtlichen Attacken richteten sich hauptsächlich gegen die 2./82 in der Mitte des Regimentsabschnittes und gegen I./82 (ohne 2./82) auf dem Nordflügel. Diejenigen Reiter, die nicht im Feuer unserer Waffen zusammenbrachen, ritten über die aus ihren Löchern sich wehrenden Schützen hinweg und suchten in der Dunkelheit den rettenden, Ausweg nach Osten. Hierbei griffen sie Gefechtstrosse und auch Feuer– und Protzenstellungen an, aus denen sie von unserer Mannschaft abwehrbereit empfangen wurden. Auch der Regimentsstab in Krokotka hatte zur Waffe greifen müssen, als eine Anzahl Kosaken während der Dunkelheit in das Dorf eingedrungen war. Einer der Reiter sprang beim Sturz seines tödlich getroffenen Pferdes auf den Gefreiten Lohse, riß diesem das Seitengewehr aus der Scheide, stach ihn in den Rücken und konnte erst im Handgemenge durch den hinzuspringenden Unteroffizier Becker überwältigt werden.

 
 
     
  Gefechtsstand III./82 auf der Höhe 193,1 an der Zelwianka (30.6.1941).
Im Vordergrund links Leutnant Angermann, rechts Oberleutnant Lohmann, (gefallen am 14.6.1944)
 

Der stundenlange Ansturm gegen die Front an der Zelwianka war so stark, daß alle noch verfügbaren Teile des Regiments (Regimentsstab, Nachrichtenzug, Reiterzug und selbst die Bedienung der Divisionsfunkstelle) zeitweise zur Abwehr eingesetzt werden mußten. Einbrüche in die Front, Kampf im Rücken der vorderen Linie, Ueberfälle auf die Gefechtsstände, Trosse und Feuerstellungen, Munitionsmangel bei Infanterie und Artillerie (die 8,8 Zentimeter Flak – Batterie war völlig verschossen), die Nachrichtenverbindungen zerstört in diese gespannte nächtliche Situation platzte die Meldung von feindlichen Bereitstellungen im Rücken des Regiments in dem Walde dicht ostwärts Krokotka. Dieser neuen Gefahr entgegenzutreten, lag außerhalb der Möglichkeiten des Kdr. I. R. 82. Das Regiment war buchstäblich bis auf den letzten Mann in der Front und Flanke des Abschnittes gebunden. Der noch in Krokotka befindliche Kommandeur des M. G. – Bataillons 5 machte daher den Vorschlag, nun den Kampf als aussichtslos aufzugeben und mit dem I. R. 82 und Teilen des M. G. Btl. 5 nach Osten durchzubrechen. Im Vertrauen auf den Geist seiner 82er gab der Kdr. I. R. 82 zur Antwort, sein Regiment werde die ihm befohlene Stellung halten. Es mußte Sache der oberen Führung bleiben, die Gefahr im Rücken zu beseitigen. In diesen kritischen Augenblicken wurde starker Gefechtslärm im Osten hörbar , und die ersten Granaten, die offenbar von einer eigenen schweren Batterie stammten und dem Feinde ostwärts Krokotka, aber nicht uns gelten sollten, schlugen in das Dorf ein – der sehn lich erwartete rechte Nachbar war auf dem Gefechtsfelde eingetroffen. Als die Sonne aufging, ergab sich, daß I. R. 82 überall Herr seiner Stellungen geblieben und der Durchbruch geschlossener russischer Truppenteile nach Osten verhindert worden war. Dagegen hatte nicht verhindert werden können, daß der Feind an mehreren Stellen einzeln oder in kleinen Gruppen durch das weitmaschige Netz unserer Aufstellung entkommen war. Die Verluste des Gegners an Menschen *) und Material waren groß. Beim Abschuß von Panzern hatte sich ein Zug der 14./82 unter Führung des Lt. Piehl besonders hervorgetan. Zahlreiches Kriegsgerät wurde in den beiden nächsten Tagen in dem Gelände westlich der Zelwianka gefunden. Es war in diesem Falle wie auch bei späteren Einkreisungsschlachten zu beobachten, daß der Gegner den Ausfall seines Materials der Rettung der Menschen unterzuordnen wußte. Seine Methode, die Geschlossenheit der Formationen aufzugeben und in kleinen Gruppen durch unsere Einschließungsfront durchzusickern, hat dem russischen Heere und vor allem den Partisanenverbänden wertvolle Kräfte erhalten bzw. zugeführt.

 
 
     
  Jezernitsa, russische Gefangene in der Kirche (06.1941)  

Für die Abwehr weiterer Angriffe wurde das Stärkeverhältnis des I. R. 82 am 30. Juni wesentlich günstiger gestaltet. Der rechte Nachbar (34. I.D.) schloß die Lücke bei Koszele, I./82 wurde daher auf dem Nordflügel frei und konnte in der Mitte der Westfront zwischen III. und II./82 eingesetzt werden. Ferner trafen als Verstärkungen II./I. R. 17 (Major Korfes) und 1./A. R. 845 ein. Auch der Mangel an Munition wurde behoben. Obwohl eigene Flieger den Anmarsch neuer starker russischer Kräfte von Westen gegen die Zelwianka meldeten, kam es am 30. Juni nur noch zu einigen örtlichen Teilangriffen des Gegners, die verhältnismäßig leicht abgewiesen werden konnten. Der Auftrag des I. R. 82 war am 1. Juli erfüllt, als I. R. 12, auf dem Westufer der Zelwianka im Vorgehen nach Norden, vor der Front des I. R. 82 erschien.

Aus dem Vormarsch gegen die Szczara am 27. Juni zur Verteidigung an die Zelwianka zurückgerufen, war I. R. 82 vier volle Tage (die Masse der 31. I. D. noch länger) an der Einschließungsfront festgehalten worden. Durch diesen Aufenthalt war der Abstand zwischen den nach Osten vorauseilenden Korps der Panzergruppe Guderian, die sich bereits der Beresina zwischen Bobruisk und Borisow näherten, und der nachfolgenden Infanterie noch größer geworden. Am 1. Juli mittags erschien Feldmarschall v. Kluge auf dem Gefechtsstand des I. R. 82 in Krokotka. Er sprach dem Regiment seine Anerkennung für die Haltung während der letzten Tage aus. Er war sichtlich erfreut, die Truppe, die er bereits als „verloren“ angesehen hattte, wiederzusehen3) und trotz aller Anstrengungen in guter moralischer Verfassung anzutreffen. Er setzte dem Kdr. I. R. 82 auseinander, daß die Zurückbeorderung des I. R. 82 von der Szczara deswegen unvermeidlich gewesen sei, weil der Einschließungsring an der Zelwianka sich als zu schwach gegen den Ausbruch stärkerer feindlicher Kräfte erwiesen hätte und der Gedanke, die Sperrfront an der Szczara aufzurichten, aus Kräftemangel nicht zu verwirklichen gewesen sei. Kluge vertrat die Auffassung, daß zunächst die Einkreisungsschlacht um Bialystock zu beenden war, bevor die Operationen nach Osten fortgesetzt werden durften. Guderian dagegen wollte mit der Masse seiner Panzergruppe den Vormarsch nach Osten fortsetzen und die Einschließung der Russen bei Bialystok im Wesentlichen den den nachfolgenden Infanterie – Armeen überlassen . 4) 5)

Die Berechtigung des einen oder anderen Standpunktes mag dahingestellt bleiben. Es kann aber nicht unerwähnt gelassen werden, daß die Aufgabe, den Feind einzuschließen, mit schweren Kämpfen für die eigene Infanterie verbunden war. Bei dem viertägigen Aufenthalt an der Zelwianka hat es sich für das I. R. 82 und die anderen Truppenteile der 31. I.D. nicht um eine polizeiliche Säuberungsaktion, sondern um eine verlustreiche Verteidigung gegen einen zum Durchbruch entschlossenen Gegner gehandelt. Der Erfolg war auf den unbedingten Willen des Verteidigers, seine Stellung bis auf den letzten Mann zu halten, und das Bewußtsein, einen Beitrag zur siegreichen Beendi gung der Schlacht zu leisten, sowie auf die Uneinheitlichkeit der Führung des an Zahl und Material weit überlegenen Feindes zurückzuführen.

Die Tage vom 28. Juni bis 1. Juli hatten die Reihen des I. R. 82 um mehr als 150 Mann gelichtet. Allein das II. und das III./82, welche die Hauptlast des Kampfes getragen hatten, waren an den Verlusten mit 66 Toten und 78 Verwundeten beteiligt. Dieser hohe Anteil von Gefallenen zeugt von der Erbitterung der Kämpfe. Die Opfer, welche die Schlacht an der Zelwianka gefordert hatte unter ihnen Oberleutnant Winar (10./82), Lt. Schmidt (5./82), Oberfeldwebel Riechert (5./82), Lt. Stolz und Oberfeldwebel Faulbaum (7./82) und Feldwebel Juschkus (4./82) fanden auf einer Höhe am Nordausgang von Wielka – Krokotka ihre letzte Ruhe.

Notizen

  1. Das O. K. W. forderte eine persönliche Berichterstattung über die Gefechtsvorgänge . Der Regts. – Kdr. entsandte seinen Adjutanten, Oberlt. Graf v. Bothmer.
  2. „30.6.1941: In den Morgenstunden gegen 2.00 Uhr greift der Feind mit starken Kräften in mehreren Wellen auf der ganzen Front des Bataillons an. Gegen den Abschnitt der 5. Kp. werden Pakgeschütze und ein Panzer eingesetzt. Der rechte Zug der 5. Kp. wird völlig aufgerieben. Es gelingt den Russen, in die entstandene Lücke einzubrechen. Durch Gegenstoß des Zuges Lt. Bahl 5. Kp. wird der Feind unter größten Verlusten in die Zelwianka zurückgeworfen. Bei allen Kompanien spielen sich Nahkämpfe ab. Lediglich eine versprengte Gruppe, in der Mehrzahl Offiziere, kann zwischen 6. und 7. Komp. durchkommen. Sie gehen am Fernsprech draht, der zum Batls. – Gefechtsstand führt, entlang und versuchen, diesen gegen 3.30 Uhr anzugreifen. Durch den dichten Bodennebel bis auf 30 m herangekommen, werden sie durch zwei s. M. G. und Gewehrfeuer sowie durch ein l. I. G, das im direkten Schuß schießt, sämtlich vernichtet. Es werden vor dem Batls.– Gefechtsstand 28 tote Russen gezählt.“ (Aus: Entwurf des Kriegstagebuchs II./82.)
  3. Bei II./82 wurden 1600 Gefangene eingebracht. Angaben über Gefangenenzahlen bei I. und III./82 sind nicht mehr vorhanden.
  4. Guderian, S. 143, 144, 146, 147.
  5. „Das Zusammentreffen der Befehlshaber der Panzergruppen 2 (Guderian) und 3 (Hoth) in Krewo am 30. 6. ermöglichte wohl eine Aussprache, brachte aber noch nicht die zur wirklichen Einschließung des Feindes notwendige Tuchfühlung mit Panzergruppe 2. Die Aussprache zeigte, daß Pz. Gr. 2 ihren Auftrag zur Einschließung des Feindes weniger defensiv aufgefaßt hatte und eigentlich mit der Masse ihrer Kräfte im weiteren Vorgehen nach Östen geblieben war. Es schien, als ob Pz. Gr. 2 den Doppelauftrag, Abschließung des Feindes bei Minsk und weiteren Vorstoß nach Osten, gleichzeitig zu lösen beabsichtige. Die größere Kräftezahl berechtigte sie vielleicht zu diesem Entschluß, den Pz. Gr. 3 abgelehnt hatte. Jedoch hat dieser Entschluß dazu geführt, daß Teile des Feindes nach Südosten durchbrechen konnten sowie Teile der Pz. Gr. 3 bis 7. 7. durch A. O. K. 4, zum Teil unter Einsatz im Abschnitt der Pz. Gr. 2, zurückgehalten wurden.“ (Aus: „Gefechtsbericht vom 30. 6. 11. 7. 41“ der Pz. Gr. 3 vom 12. 7. 1941. )

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